4. Staffel FmL/VsuRgt 61

Abzeichen des FmL/Vsu Rgt 61 MGSL in LechfeldDie Bundeswehr betrieb mit der 4. Staffel des FmL/VsuRgt 61 in Lechfeld-Nord eine eigene Flugvermessung, die zunächst mit sechs zweimotorigen Pembrokes Mk. 54 durchgeführt wurde. Die erste Flugvermessung von Radar- und Funknavigationsanlagen mit diesem Typ erfolgte am 18. März 1959. Zu Beginn des Jahres 1961 wurde die vorhandene Flotte durch Flugzeuge des Typs C-47D erweitert. Der maximale Flugzeug Bestand dieser fliegenden Einheit bestand aus 14 C-47D und 13 Pembroke Mk. 54, die in der Zeit von 1965 bis 1970 rund 500 Flugvermessungen pro Jahr durchführten.

Um für das auslaufende Flugzeugmuster C-47D einen Nachfolger als Flugvermessungsmaschine zu finden, ordnete die Inspektion der Führungsdienste der Luftwaffe (InFüDstLw) am 14.02.1968 an, die beiden Flugzeugmuster HFB 320 und N2501 "Noratlas" auf ihre Eignung als Flugvermessungsmaschinen hin zu überprüfen. Mit der Durchführung der Erprobung wurde die 4. FmL/VsuRgt 61 in Zusammenarbeit mit der ErpSt 61 Manching und HFB Hamburg beauftragt. Nach einer Eingangsbesprechung wurde das Erprobungsprogramm für die HFB 320 festgelegt. Vom 29. Februar bis 17. April 1968 führte man sechs längere Flugvermessungsflüge mit den Maschinen D-9536 (vier Flüge) und D-9537 (zwei Flüge) durch. Am 08.05.1968 legte die Staffel ihren Abschlussbericht mit folgendem Ergebnis vor: "Die HFB ist unter den zugrunde gelegten militärischen Forderungen für die Aufgabe der Flugvermessung fliegerisch geeignet, vom Einsatz mit eingebauter Messeinrichtung her jedoch ungeeignet."

Auch die im Sommer 1968 erprobte Noratlas erwies sich für den Einsatz als Flugvermessungsflugzeug als nicht geeignet. Fast auf den Tag genau ein Jahr später (09.09.1969) wurde im Verteidigungsministerium - unabhängig von dieser Bewertung - die Beschaffung von 13 Flugzeugen des Typs HFB 320 mit Flugvermessungsgeräten beschlossen, die Auslieferung an die Truppe sollte ab Mitte 1972 erfolgen. Dazu sollte es allerdings nicht kommen, ganz im Gegenteil.

In der Zeit von 1959 bis zu ihrer Auflösung 1976 kamen die Lechfelder Flugvermesser insgesamt auf die enorme Zahl von 44.245:05 Flugstunden, die sich auf die verschiedenen Flugzeugmuster wie folgt verteilen: Do 27 (321:50), N2501 Noratlas (1.121:00), Pembroke Mk. 54 (20.254:15) und C-47D (22.548:00).

Für die 1972 beschlossene Gemeinsame Flugvermessungsstelle der BFS und der Bundeswehr konnte der Flughafen Frankfurt weder geeignete Unterkünfte für das Personal noch Stellmöglichkeiten für die Flugzeuge bieten und daher beschloss man den Bau von eigenen Flugzeughallen, Werkstätten, Labors, Energiezentrum und Dienstgebäuden auf dem Flugplatz Lechfeld. 1974 wurde mit dem Bau der Einrichtungen begonnen, das Richtfest feierte man am 9. Oktober 1975. Die mit einem Kostenaufwand von 27,2Millionen DM (ca. 14 Millionen €) geschaffene Einrichtung war in der Lage, ihre Aufgaben der Verwaltung, des Flug- und Flugmessbetriebes völlig selbstständig durchzuführen. Die beiden Flugzeughallen hatten jeweils eine Länge von 120m, die einzeln stehende Abstellhalle (Tiefe 45m) konnte bis zu sieben Maschinen aufnehmen, die für Wartungs- und Reparaturarbeiten vorgesehene Werfthalle (Tiefe 30m) schließlich hatte Platz für bis zu fünf Maschinen. Nachdem alle Arbeiten abgeschlossen waren, erfolgte im Oktober 1976 der Umzug der BFS von Frankfurt nach Lechfeld.

Im Vorfeld der geplanten Zusammenführung der beiden Flugvermessungseinrichtungen wurden ab 1971 militärische Flugzeugführer zur Musterumschulung auf die modernen Flugzeuge der BFS nach Frankfurt kommandiert. Der erste Pilot, der dort seinen Dienst antrat, war Hauptmann Winkler. Die bei der BFS Frankfurt eingesetzten Soldaten wurden am 01.02.1957 in einem abgesetzten Zug zusammengefasst und der 4. FmL/VsuRgt 61 in Lechfeld unterstellt. Der überalterte Bestand an Pembrokes und C-47D wurde nach und nach abgebaut.

Leider blieb auch das FmL/VsuRgt 61 nicht von Flugunfällen verschont. Es passierten zwei schwere Unfälle mit Verlust der Flugzeuge und der gesamten Besatzung.

Am 12. Februar 1969 raste eine von Westerland kommende C-47D (14+05,W.Nr. 44-76732) während der Landung in Husum über die Startbahn hinaus und zerschellte in einem nahen Waldstück. Drei der vier Besatzungsmitglieder starben noch an der Unfallstelle, das vierte Mitglied verstarb wenig später im Krankenhaus.

Der schlimmste Unfall aber war der Absturz der 14+07 (Werksnummer 44-76862) am 26. Juni 1975 während eines Werkstattfluges vom Fliegerhorst Penzing. Am 15. Juni wurden an den vier vorübergehend in Penzing abgestellten C-47D der Flugvermessungsstaffel die stoffbespannten Seiten- und Höhenruder durch Hagelschlag derart beschädigt, dass sie durch neue Ruder aus der DLH-Werft Hamburg ersetzt werden mussten. Der Ab- und Ausbau der Ruder am 17. Juni erfolgte ohne Anbringung von farblichen Hilfsmarkierungen für den Wiedereinbau. Beim Einbau der Ruder in der Zeit vom 24.6. bis 26.6. wurden unglücklicherweise die Trimmruderbetätigungsseile vertauscht und daher falsch angeschlossen. Dieser Fehler wurde weder bei der abschließenden Funktionskontrolle durch das Werkstattpersonal noch beim ,,pre flight check" durch den verantwortlichen Flugzeugführer entdeckt. Und dies hatte fatale Folgen! Nach Abwicklung der üblichen Checks vor dem Start erreichte die äußerst flugerfahrene Besatzung die Maschine und bereitete sich auf einen routinemäßigen Werkstattflug vor. Die Flugbücher der beiden Piloten Hauptmann Helmut Mewes (1924-1975) und Hauptfeldwebel Alois Birkle (1926-1975) wiesen insgesamt 12711 Flugstunden auf verschiedenen Luftfahzeugen der Bundeswehr nach, so u.a. auf Harvard T-6, Pembroke Mk 54, Piaggio P.149D,,Piggi", Noratlas,,Nora", Piper L 18 und Dornier Do 27. Allein auf dem Muster C-47D hatten sie 6.623 Flugstunden absolviert. Auch der Bordmechaniker Hauptfeldwebel Jürgen Kipphan (1939-1975) war schon 3.636 Stunden in der Luft, davon 1.621 mit der C-47D.

Um 15:31 Uhr local startete die C-47D entsprechend dem Flugauftrag 155175 zu einem ,,first functional checkflight" vom Flugplatz Penzing in westliche Richtung. Der Tower erteilte auf 252,0 MHz der Maschine mit dem Rufzeichen GAF (German Air Force) 1407 die Startgenehmigung: ,,1407 cleared for take off, wind 10 o'clock 4 Kts". Die Besatzung bestätigte dies mit der kuzen Bemerkung: ,,07 on to go". Das Flugzeug startete, hob von der Startbahn ab, erreichte aber nur mühsam eine Höhe von etwa 50m, ging dann in eine Linkskurve und begann kontinuierlich an Höhe) verlieren. Da das Flugzeug zu diesem Zeitpunkt vom Tower aus nicht mehr gesehen werden konnte, versuchte der Operator um 15:31:57 Kontakt zum Flugzeug zu bekommen: ,,1407 your intentions?". 41 Sekunden später hörte man im Tower die Stimme des Co-Piloten: ,,Landsberg 1407, we are in a left turn - after return immediate - for a immediate landing" (der Rest des Funkspruchs war kaum zu verstehen, die Stimme war eindeutig panisch und überschlug sich förmlich). Der Tower reagierte um 15:32:52 sofort: ,,roger 1407 is cleared to land, wind from the north 4 Kts". Um 15:34:26 hörte man noch den Aufschrei des Co-Piloten: "Landsberg 1407......, dann brach die Funk- verbindung ab. Um 15:34:32 schlug das Flugzeug drei Meter unterhalb der Oberkante des Lechhanges 500m nördlich von Kaufering auf und überschlug sich. Beim Aufprall explodierte die - entgegen der Vorschrift - vollgetankte Maschine und die dreiköpfige Besakung fand dabei den Tod. Einen Tag nach dem Absturz wurde das Tonband abgehört, auf dem der Sprechfunkverkehr zwischen dem Tower und der C-47D aufgezeichnet war. Drei Angehörige der Flugvermessungsstaffel erkannten übereinstimmend den Sprecher des Funkverkehrs: es war die Stimme von Hauptfeldwebel Birkle. Nach einer Flugzeit von nur 3:26 Minuten war das Lechfelder Flugzeug abgestürzt und die dreiköpfige Besatzung gestorben. An der Bergung der Reste der Maschine am27. Juni 1975 waren von 10 bis 17 U hr insgesamt 44 Soldaten beteiligt. ln der akribisch geführten Unfalluntersuchung wurden sämtliche Eventualitäten einschließlich der körperlichen Leistungsfähigkeit der Besatzung bewertet und die Kommission kam einstimmig zu der Überzeugung, dass alleine die falsch eingebauten Steuerseile für den Absturz verantwortlich waren. Die Frage, wie lange die Besatzung den enormen Steuer- drücken von etwa 350 kp (heute: 3,43 Kilo- Newton) hätte körperlich standhalten können, wurde vom Fliegerarzt mit einer Maximaldauer von drei Minuten angenommen. Dies erklärt auch, warum die beiden Flugzeugführer ihre Maschine nicht in der Luft halten konnten. Die im Abschlußbericht des Generals Flugsicherheit am 13. Oktober 1975 gestellte, hypothetische Frage, ob der Flugzeugführer durch Verringerung der Geschwindigkeit die Maschine hätte in der Luft halten bzw. unter Umständen hätte sogar notlanden können, konnte weder errechnet noch beantwortet werden.

C-47 14+07

C-47 Propellerblatt mit Namen der VerunglücktenPropellerblatt einer C-47D vor der Militärgeschichtlichen Sammlung Lechfeld, auf dem an die tödlich abgestürzten Besatzungsmitglieder der 4. FmL/VsuRgt 61 einnert wird. Ehe es hier "landete" stand es viele Jahre in der Schwabstadelkaserne.